Faszien sind ein sehr vielfältiges Gewebe, das viele Funktionen erfüllt und sich aus vielen Bestandteilen zusammensetzt. Damit unsere Faszien ganzheitlich geschmeidig bleiben, bedarf es vielfältiger Bewegungsreize.
Durch statisches Dehnen erreichen wir einen Teil der Faszien, aber eben nicht alle. Beim Fascial Stretch hingegen spannen wir unsere Faszien in alle Richtungen auf, richten unsere Bindegewebsfasern scherengitternetzartig aus und schaffen somit Balance im Körper.
Erfahre im Folgenden, was Fascial Stretching bedeutet, was der Unterschied zum klassischen Dehnen ist und welche Vorteile es für dich bringt.
Wenn du dich morgens im Bett vor dem Aufstehen räkelst und so weit wie möglich in die Länge streckst, kommst du der Idee vom Fascial Stretch schon sehr nahe. Dabei handelt es sich um eine neue Art des Dehnens, die eigentlich nicht nur Dehnen ist, sondern zugleich Kräftigung und Mobilisation.
Es geht um Muskelfaszien-Ketten und nicht um isolierte einzelne Muskelabschnitte. Die langen Muskelketten werden dabei in alle Richtungen bis zu ihren Endpositionen gedehnt und kommen unter Zugspannung.
Stell dir das so vor: Du nimmst eine Dehnposition ein und gleichzeitig versuchst du dich in mehrere Richtungen aufzuspannen und weit zu werden. Ziel des faszialen Dehnens ist es, die Kollagenfasern (Bestandteil unserer Faszien) in ein scherengitterartiges Netzwerk zu bringen. Dies erreichen wir durch multidirektionale Dehnimpulse wie sie beim Fascial Stretching umgesetzt werden.
Das Ziel beim Faszien dehnen ist es, dein Gewebe wieder elastischer und damit gleichzeitig auch stabiler zu gestalten. Fascial Stretching ist weich und schwingend. Die Bewegungen sind nicht kantig, sondern leicht und spielerisch. Es sieht von außen aus wie Bewegungen im Flow. Du wippst eher hinein. Es handelt sich also um keine statische, lang gehaltene Dehnung, sondern eine aktive, bei dir du erst einmal die Vorspannung aufbaust und deine Muskeln auf Länge bringst. Spannung und Zug kommen hinzu, indem du dich in die jeweilige Position hineinschmelzen lässt. Der größte Unterschied bei den Faszien-Dehnübungen zum herkömmlichen Dehnen besteht in der Veränderung der Vektoren: Die Faszien schätzen es sehr, wenn sie in alle möglichen Richtungen der Gelenke gezogen und gedehnt werden.
Warum? Hintergrund ist das Bauprinzip der Tensegrität. Das Verständnis vom schwabbeligen Bindegewebe ohne besondere Aufgabe hat sich komplett gewandelt. Mittlerweile ist wissenschaftlich belegt, dass Faszien ein feinmaschiges Netz bilden, das alle Muskeln, Knochen, Organe umhüllt sowie durchdringt. Das Gewebe ist idealerweise elastisch, es saugt sich wie ein Schwamm mit Wasser auf. Gleichzeitig sorgt es für Stabilität. Faszienforscher sind sich sicher, dass nicht das knöcherne Skelett den Körper aufrecht hält, sondern dass vielmehr alle Knochen in sich zusammenfallen würden, wenn die Faszien als Halteapparat ausfielen.
Fascial Stretch
Klassisches Dehnen
Werden fasziale Strukturen nicht genutzt oder einseitig belastet, etwa indem du lange sitzt oder nur die rechte Hand benutzt, ist das Gewebe nicht mehr optimal durchfeuchtet, Nährstoffe gelangen nicht mehr überall hin. Das Gewebe kristallisiert aus, ähnlich wie dünnflüssiger Honig, der fest wird. Du merkst es daran, dass du dich insgesamt unbeweglicher, steifer fühlst, womöglich schmerzt es auch an manchen Stellen. Die Faszien sind verklebt. Umgangssprachlich wird dann oft von einer Verkürzung gesprochen.
Wenn du auf diese besondere Weise dehnst, regst du besonders die mechanischen Funktionen der Faszien an: Schlacken werden abgebaut, Verklebungen lösen sich und dein Gewebe wird geschmeidiger. Das macht Sinn als Warm-Up vor dem Sport, aber auch zur Schmerzlinderung bei Beschwerden. Je mehr du die gesamte Muskelfaszien-Kette integrieren kannst, desto höher sind die Effekte.
Durch das langkettige dreidimensionale Dehnen im Fascial Stretch
Pandiculation oder umgangssprachlich „stretch like a cat” erklärt sich am einfachsten, wenn du ein Haustier beobachtest, das aus seinem Nickerchen erwacht und im Begriff ist aufzustehen. Es ist also der Fachbegriff für eine spezielle Art des Dehnens und dem Räkeln und Strecken aus der Tieranalogie. Die Raubkatze oder der Haushund gehen in eine Aufspannung und verlängern sich dabei innerlich aktiv. Dabei schiebt sie auch die Pfoten aktiv gegen den Boden und erfahren so automatisch auch eine Gegenverlängerung im Rumpf und den Hinterbeinen. Ein herabschauender Hund im Yoga kommt dieser Position sehr nahe.
Um mit faszialem Dehnen zu beginnen, sind hier einige einfache Schritte, die du beachten kannst:
Fasziales Dehnen unterscheidet sich vom klassischen statischen Dehnen. Beim faszialen Dehnen geht es darum, sanfte, dynamische Bewegungen auszuführen, die deine Faszien in mehreren Richtungen dehnen. Ziel ist es, das Bindegewebe zu mobilisieren und Verklebungen zu lösen, um die Elastizität und Flexibilität zu fördern.
Beginne mit grundlegenden Übungen, die auf große Muskelketten abzielen.
Einige einfache Einstiegsübungen sind:
Katzenbuckel und Kuhhaltung: Aus dem Vierfüßlerstand machst du deinen Rücken rund und streckst ihn dann ins Hohlkreuz. Diese Übung hilft, deine Faszien in der Rückenlinie zu dehnen.
Herabschauender Hund: Diese Yoga-Übung dehnt deine gesamte Rückseite, von den Schultern bis zu den Beinen, und fördert die Durchblutung.
Seitenstreckung im Stand: Stelle dich aufrecht hin, greife mit einer Hand über den Kopf und neige dich sanft zur Seite. Wechsle die Seite. Diese Übung dehnt die seitlichen Faszienketten.
Anders als beim statischen Dehnen ist es beim faszialen Dehnen wichtig, fließende und schwungvolle Bewegungen zu machen. Statt eine Position starr zu halten, solltest du dich in die Dehnung hineinschmelzen und leicht schwingen oder wippen. Dies regt die Elastizität der Faszien an.
Eine tiefe, gleichmäßige Atmung hilft, die Dehnung zu intensivieren und gleichzeitig Verspannungen zu lösen. Atme ruhig in die gedehnten Bereiche hinein, um die Spannung besser zu lösen.
Du kannst auch Hilfsmittel wie eine Faszienrolle oder einen Ball verwenden, um bestimmte Bereiche gezielt zu bearbeiten. Diese Tools helfen, verklebte Faszien zu lösen und die Durchblutung anzuregen.
Fasziales Dehnen zeigt die besten Effekte, wenn du es regelmäßig machst. Es reicht oft schon, 2–3 Mal pro Woche einige Minuten in das Training zu investieren.
Fasziales Dehnen basiert auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen, die zeigen, dass das Bindegewebe, die sogenannten Faszien, eine zentrale Rolle für Beweglichkeit, Stabilität und Schmerzlinderung spielen. Die Forschung von Dr. Robert Schleip und anderen Experten hat verdeutlicht, dass Faszien ein elastisches Netzwerk im Körper bilden, das durch dynamische, multidirektionale Dehnbewegungen stimuliert und geschmeidig gehalten wird.
Diese Art des Dehnens fördert die mechanischen und sensorischen Eigenschaften der Faszien, unterstützt den Abbau von Verklebungen und trägt zur Verbesserung der Beweglichkeit und Körperhaltung bei. Studien haben auch belegt, dass fasziales Training auf das Prinzip der **Tensegrität** basiert, welches das Gleichgewicht der Strukturen im Körper fördert. Regelmäßiges fasziales Dehnen kann nicht nur die Flexibilität verbessern, sondern auch chronischen Schmerzen entgegenwirken.
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